Reisegebet |
Herr, unser Gott,
der Du die Elemente erschaffen hast, in denen wir uns bewegen.
In wenigen Minuten erheben wir uns in die Luft und reisen 1.800 km nach Griechenland.
Unser Land und die Menschheit überhaupt scheinen aus den Fugen zu geraten.
Werte, die ein dreiviertel Jahrhundert unsere Gesellschaft nach innen Schutz und Stabilität gegeben haben und die uns nach Außen sehr gut mit anderen Ländern und Kulturen Brücken bauen ließen, werden verspottet, in Frage gestellt, ignoriert und mit Füßen getreten.
Werte wie Freiheit, Demokratie, Menschsein, Würde, Sozialkompetenz, selbst Liebe, Frieden, Gewaltlosigkeit, Rücksicht, Vertrauen und Glaube werden relativiert oder als nicht zeitgemäß qualifiziert.
Es sind Werte, die zum größten Teil Ursprung in der Philosophie des antiken Griechenlands haben.
Sie sind Teile der Inhalte, die Europa Charakter und Identität verliehen und unserer Gesellschaft eine Struktur.
Wir wollen uns aufmachen die Wurzeln dieser Werte zu suchen, und damit auch die Wurzeln unserer Kultur und Gesellschaft.
Diese Werte wurden auch von Dir, Jesus, gepredigt, gelebt und uns zur Aufgabe gemacht.
Wer sind wir?
Was sind wir?
Was macht uns zu Menschen?
Was macht uns zu Demokraten?
Was macht uns zu Christen?
Wo liegt der Mehrwert in dem, was wir sind und wie wir uns verstehen?
Steh uns bei, Gott, bei der Reise und bei dem, was wir in dieser Zeit tun, erkennen, suchen und finden.
Halte Deine schützende Hand über uns und lass uns heil am Ziel ankommen und auch wieder heil und gesund zu unseren Familien zurückkehren.
Sei Du der Engel, der uns begleitet und beschützt.
Amen.
Tischgebet |
Guter Gott!
Es ist nicht selbstverständlich, dass Menschen sich in die Luft erheben und 1.800 km weiter heil ankommen.
Es gibt mehr als genug Berichte, dass Menschen auf Reisen verletzt werden oder zu Tode kommen.
Wir sind heil und gesund angekommen.
Dafür danken wir Dir.
Wir wissen, dass es auch der Verdienst der Fahrer und Piloten ist.
Aber Du bist der, der uns Menschen die Fähigkeiten, Talente und das Verantwortungsbewusstsein gegeben hat, das andere Spezies so auf diese Art nicht haben.
Deshalb sagen wir auch Dir Dankeschön für Deine schützende Hand.
Jetzt aber sagen wir Dir ganz besonders Danke, dass es ordentlich was auf den Teller gibt, denn wir haben Kohldampf.
Und damit‘s nicht noch länger wird:
DANKE!
WIR HABEN HUNGER!
GUTEN APETIT!
UND: AMEN!
Einführung ins Thema |
Lied: "Suchen und fragen"
„ὠγαθέ, μὴ ἀγνόει σεαυτόν, μηδὲ ἁμάρτανε ἃ οἱ πλεῖστοι ἁμαρτάνουσιν: οἱ γὰρ πολλοὶ ὡρμηκότες ἐπὶ τὸ σκοπεῖν τὰ τῶν ἄλλων πράγματα οὐ τρέπονται ἐπὶ τὸ ἑαυτοὺς ἐξετάζειν. μὴ οὖν ἀπορρᾳθύμει τούτου, ἀλλὰ διατείνου μᾶλλον πρὸς τὸ σαυτῷ προσέχειν. καὶ μὴ ἀμέλει τῶν τῆς πόλεως, εἴ τι δυνατόν ἐστι διὰ σὲ βέλτιον ἔχειν: τούτων γὰρ καλῶς ἐχόντων οὐ μόνον οἱ ἄλλοι πολῖται, ἀλλὰ καὶ οἱ σοὶ φίλοι καὶ αὐτὸς σὺ οὐκ ἐλάχιστα ὠφελήσῃ.“
[Ξενοφών, «Απομνημονεύματα του Σωκράτη», Βιβλίο Τρίτο, Κεφάλαιο 7, Στίχος 9]
„Mein Bester, vergiss nicht, dich selbst zu erkennen, und mache nicht den Fehler, den die meisten Menschen machen! Denn die meisten sind darauf aus, vor den Türen anderer zu kehren und kommen nicht dazu, vor ihrer eigenen zu kehren. Versäume also dieses ja nicht, sondern bemühe dich vielmehr, auf dich selbst zu achten und vernachlässige ja nicht den Staat, wenn du etwas zu seiner Besserung beitragen kannst. Denn wenn es mit diesem gut steht, so werden nicht nur die übrigen Bürger, sondern auch deine Freunde und du selbst den meisten Nutzen davon haben.“
[Xenophon, „Memorabilia - Erinnerungen an Sokrates“, drittes Buch, Kapitel 7, Vers 9 – Übersetzung an heutiges Deutsch angepasst]
Für Sokrates ist die Erfüllung und Sinngebung des Menschen darin zu finden, dass er in seinem Denken, Reden und Tun immer sich selbst kritisch hinterfragt, um immer mehr gut zu sein und immer besser zu werden.
Dabei ist das Hauptaugenmerk des Menschen auf das Wohlergehen seiner Mitmenschen zu orientieren.
Nach Sokrates Theorie stellt sich das Erleben von Glückseligkeit ein, wenn dies gelingt, da im Dienst am anderen man auch selber insofern einen Nutzen hat, dass eine gesunde Gesellschaft auch einen gesunden Lebensraum darstellt. Tugend, Besonnenheit, Anspruchslosigkeit, Selbstdisziplin und Bescheidenheit sind die signifikanten Maßstäbe der Selbstreflexion.
- Reflektiere Dich im Sinne des Sokrates und sei schonungslos ehrlich zu Dir selbst!
- Beschreibe Dich anhand der folgenden Fragen selber.
- Tausche Dich dann mit jemanden aus, dem Du auch zutraust, dass er aufrichtig und ehrlich Dir Lobendes, aber auch Kritisches zu den aufgelisteten Fragen über Dich sagen kann.
- Notiere Dir auf den entsprechenden Seiten, was Dir an Lobendem, aber auch Kritischem gesagt wird, das Du so noch nicht über Dich selber gesehen oder gedacht hast.
Eiserne Regel:
Nach Sokrates kommt man nur weiter, wenn man aufrichtig und ehrlich in Dialog zueinander tritt. Daher sind heuchlerische Belobigungen ebenso fehl am Platz wie verletzende Kritik.
Ein aufrichtiger, edler, charaktervoller und reifer Mensch versteht es Lob sachgerecht vorzubringen, ohne dabei zu heucheln oder zu übertreiben.
Er versteht es aber auch Kritik auf eine anständige und wertschätzende Weise dem Anderen entgegenzubringen, so dass jener die Kritik als Gewinn und Hilfe versteht und nicht als Kränkung.
Ein aufrichtiger, edler, charaktervoller und reifer Mensch versteht es dann aber auch Lob und Anerkennung anzunehmen, ohne dies herunterzuspielen und ohne dabei das Gefühl der Überheblichkeit zu entwickeln.
Ebenso wird er Kritik als wichtigen Hinweis und wichtige Hilfe verstehen, die ihn davor bewahrt gravierende Fehler in seinem zukünftigen Leben zu machen, sondern daraus zu lernen und ohne dem Kritiker Gram zu sein.
So banal diese Übung auf den ersten Blick zu scheinen mag:
In unserer Gesellschaft geht diese hohe Kunst der positiv kritischen Auseinandersetzung immer mehr verloren.
Daher macht sie Sinn – denn in der Antike war sie ebenso hoch angesehen und respektiert, wie auch gefürchtet, weil sie ans Licht brachte, was wir oft im dunklen Verborgenen halten. Siehe dazu auch den Thrasymachos-Dialog des Sokrates.
Die Fragen zur Selbstreflexion:
- Was macht Dich persönlich glücklich? Benenne 10 Punkte.
- Was davon nützt wie der Allgemeinheit, Gesellschaft, Menschheit [hinsichtlich Menschenrechte, Friede, Freiheit, Lebensraum, Ressourcen, Nachhaltigkeit, Wohlstand und Sicherheit für alle]?
- Was davon nützt nicht unbedingt der Allgemeinheit, Gesellschaft, Menschheit [hinsichtlich Menschenrechte, Friede, Freiheit, Lebensraum, Ressourcen, Nachhaltigkeit, Wohlstand und Sicherheit für alle]?
- Wem nützt es dann und welchen Sinn hat es?
- Worin siehst Du Deine Hauptaufgaben in Deinem Leben?
- Wenn Du Dir Deine zeitliche Freizeitgestaltung betrachtest und selbstkritisch hinterfragst: Wie würdest Du Deine Prioritäten und Dein Engagement auf einer Skala von 1 bis 10 einschätzen für die Werte in der folgenden Liste charakterisieren?
Plakatives Beispiel: Wenn Du an Wochenenden rund 18 bis 20 Stunden auf Partys und Vergnügungsveranstaltungen verbringst, aber einmal die Woche für 30min ein Schlichtungsgespräch moderierst, damit zwischen den Beteiligten wieder Frieden ist, dann ist Dir alles wichtig, aber die zeitliche Priorität räumt der Unterhaltung und dem Vergnügen mehr Raum ein.
Tausche Dich nun mit einer Person aus, der Du auch zutraust, dass sie aufrichtig und ehrlich Dir Lobendes, aber auch Kritisches zu den aufgelisteten Fragen über Dich sagen kann.
Notiere Dir auf den nachfolgenden Seiten, was Dir an Lobendem, aber auch Kritischem gesagt wird, das Du so noch nicht über Dich selber gesehen oder gedacht hast.
Eure Selbstreflexion und das, was Ihr miteinander besprochen habt, ist nicht für die Gruppe bestimmt und nicht für das Plenum.
Das ist ganz alleine für Euch und denen, denen Ihr es mitteilen wollt!
Lied: "Keinen Tag soll es geben"
Abendgebet |
„Wer von den Menschen kennt den Menschen?“, fragt Paulus die Christen in Korinth.
Wir fragen uns das manchmal auch selber.
Wenn wir sehen, wie erbarmungslos Krieg sein kann und wie Menschen, ja sogar Kinder darunter leiden und sterben; wenn wir sehen, wie wir selber die Umwelt schädigen und der nächsten Generation einen Planeten hinterlassen, der nicht mehr im vollen Sinne bewohnbar ist; wenn wir erleben, wie selbst im Kleinsten der Familie, der Nachbarschaft, der Schule, der Abteilung im Betrieb und Beruf, ja sogar in Vereinen unserer Freizeit und selbst in der Kirche Menschen einander feindlich gesinnt sind und kränkend und verletzend miteinander umgehen, dann fragen wir uns sehr wohl:
„Was ist der Mensch, dass er so sein kann?“
Aber wir wollen nicht auf die anderen schauen, sondern auf uns selbst.
Wenn jeder nur dem anderen sagt, was er falsch macht und wie er es besser zu machen hat, aber niemand sich selber kritisch betrachtet, dann ändert sich niemand und damit auch nicht die Gesellschaft und nicht die Welt.
Wir sind hier, um mehr Erkenntnis über uns zu gewinnen.
Jeder über sich.
Damit wir für diese Welt – und wenn es auch nur im Kleinsten ist – ein Segen und eine Oase des Guten und der Liebe werden können.
Hilf uns dabei, Gott, denn aus eigener Kraft und ohne Dich – das zeigt ja die Menschheitsgeschichte gerade in der Gegenwart in Europa – schaffen wir es scheinbar ja nicht.
Jetzt aber schenke uns eine geruhsame Nacht………..oder eine turbulente Nacht, in der wir durchmachen bis morgen früh.
Und heute schon danken wir Dir für den geilen freien Tag morgen, an dem wir außer faul sein und Deine wunderbare Schöpfung genießen, nichts tun müssen. Amen
Lied: "Ubi caritas"